Edward Jenner – Vater der Impfung

Edward Jenner hatte keinen wirklich guten Start ins Leben. Er wurde 1749 in Berkeley, Gloucestershire als achtes von neun Kindern des Vikars Stephen Jenner und seiner Frau Sarah geboren und wurde bereits im Alter von 5 Jahren Waise. Seine schulische Ausbildung begann er in Wotton-under-Edge in Cirencester. Ein Jahr nach seiner Einschulung brachen die Pocken aus und die Schulkinder wurden durch den ortsansässigen Apotheker Mr. Holbrook einer sogenannten „Variolation“ unterzogen.

Bei der Variolation oder auch „Inoculierung“ handelt es sich um eine frühe Form der Impfung, die wahrscheinlich zu Anfang des zweiten Jahrtausends in Zentralasien entwickelt wurde und über China, Persien und das Osmanische Reich nach Europa gelangte.

Dieses Prozedere ging so vor sich, dass man Sekret aus den Pusteln eines genesenen Pockenkranken entnahm und dieses Material durch kleine Wunden in den Arm oder das Bein eines Gesunden applizierte. Im Prinzip ein „attenuierter Lebendimpfstoff“.

Allerdings hatte das Verfahren so seine Tücken, die Pockenviren wurden teilweise wieder aktiv und der vormals Gesunde wurde Opfer der Pocken, wobei es zu Mortalitätsraten von 2-3% kam. Teilweise kam es dadurch sogar zu Pockenepidemien. Auch konnte man sich bei dieser Methode mit anderen unschönen Krankheiten wie Syphillis anstecken (oder woran der „Serumspender“ halt so litt).

Also eine recht unsichere Geschichte. So verwundert es auch nicht, dass Edward Jenner nach seiner Variolation im Kindesalter fast gestorben wäre.

Aber kommen wir zurück zu Edward Jenner, der mittlerweile nach Cirencester, auf die Reverend Dr Washbourn’s school gewechselt war, die er im Alter von 13 Jahren verließ. Er erlernte den Beruf des Wundarztes bei Daniel Ludlow in Chipping Sodbury und wechselte dann zu einer Lehre bei einem Chirurgen. Derart vorgebildet wurde er bei dem bekannten schottischen Anatomen und Chirurgen John Hunter am St. George’s Hospital in London zum Chirurgen ausgebildet.

1772 eröffnete er eine eigene Praxis in Berkeley mit einer Dependance in Cheltenham. Er kehrte der Chirurgie aber den Rücken und wurde 1792 an der schottischen University of St Andrews zum Dr. med. promoviert. Bis 1815 praktizierte er als „Badearzt“ in Cheltenham, bis er wieder in seine Heimat zurückkehrte.

Edward Jenner war mit Catherine Kingscote verheiratet, mit der er zwei Söhne und eine Tochter hatte, und verstarb am 26. Januar 1823 im Alter von 73 Jahren.

Ein normaler Landarzt, wie man aus dieser Vita schließen könnte, war Jenner aber nicht. Er war schon immer sehr an wissenschaftlichen Themen auch außerhalb der Medizin interessiert, insbesondere der Naturkunde. So beteiligte er sich auf Einladung hin an der Katalogisierung der von James Cook aus dem Südpazifik mitgebrachten und bis dato unbekannten Pflanzen.

Auch forschte er selbst zu verschiedenen medizinischen Themen und tauschte sich als Mitglied zweier medizinischer Vereine mit seinen Kollegen intensiv aus. Durch Joseph Banks hatte er auch Kontakte zur Royal Society, deren Mitglied er 1789 wurde.

Und dieser Forschergeist ließ ihn auch in seiner Landarztpraxis eine interessante Entdeckung machen. Durch seinen Kollegen John Fewster wurde er darauf aufmerksam gemacht, dass Menschen, die die harmlosen Kuhpocken durchgemacht hatten, nicht mehr an den „richtigen“ Pocken erkranken konnten. Jenner wiederum baute auf diese Beobachtung auf und folgerte, dass eine Variolation mit Kuhpocken die gleiche Immunität aufbaut wie die durchgemachte Krankheit und somit auch ein Schutz vor den Pocken existierte.

Unterstützt von seinem Neffen Henry Jenner sammelte Edward zahlreiche Fallbeschreibungen, die seine These untermauerten. Erst nach 22 Jahren der intensiven Forschung schritt Edward Jenner zum ersten Versuch und impfte am 14. Mai 1796 den acht Jahre alten James Phipps mit Kuhpocken. Die Erreger erhielt er von der der Milchmagd Sarah Nelmes.

Am 1. Juli 1796 führte Jenner dann am jungen Phipps eine Variolation mit dem Pockeneiter eines Menschen durch. Und siehe da – der Junge erkrankte nicht. Er war immun. Seinen Bericht hierüber lehnte die Royal Society aber ab, da er sich nur auf diesen einen Versuch stützte. Darum führte er in den nächsten zwei Jahren zahlreiche weitere Versuche durch und veröffentlichte diese in einem Aufsatz mit dem Titel: An Inquiry Into the Causes and Effects oft the Variolae Vaccinae, Or Cow-Pox.

Weitere Ergänzungen reichte er in den Folgejahren nach. Die Conclusio seiner Studien war, dass durch seine Methode eine lebenslange Immunität ermöglicht werde, sie (durch Arm-zu-Arm-Inokulationen von Person zu Person) verbreitet werden kann, und dass inokulierte Kuhpocken niemals tödlich sind, höchstens lokale Pusteln nach sich führen, und nicht ansteckend.

Was die lebenslange Dauer des Impfschutzes anging, so war diese Schlussfolgerung allerdings falsch, denn wie sich im Laufe der Jahre zeigte, musste der Impfschutz doch aufgefrischt werden.

Jenner war viel daran gelegen, dass seine Methode verbreitet wurde, um so viele Pockentote wie möglich zu verhindern. So verzichtete er auch auf eine Patentierung, nahm er doch an, dass dies die Kosten für eine Impfung in die Höhe treiben könnte, und sich so gerade arme Menschen diese nicht leisten könnten. Nachdem er sich zu Gunsten seiner Forschungsarbeit aus seiner Praxis zurückzog und auch keine Einnahmen aus seiner Entdeckung hatte, erhielt er großzügige Unterstützung durch die Krone.

Seine Impfmethode verbreitete sich schnell in Europa, Russland, Amerika und Asien. Und obwohl Frankreich zu jener Zeit mit England im Krieg lag, verbreitete sich die Impfung auch dort und Napoleon ließ alle seine Soldaten impfen und verlieh Jenner eine Ehrenmedaille.

Die für ihn wohl schönste Ehrung war aber die 1803 erfolgte Eröffnung des Jenner-Instituts, einer „Impfanstalt“, wo sich Arme kostenlos impfen lassen konnten.

In England selbst wurde 1840 ein Gesetz erlassen, durch welches die Variolation zu Gunsten von Jenners Methode verboten wurde. Auch in den USA, dem Königreich Bayern und Russland gab es bald Impfpflichten.

Am 8. Mai 1980 wurde von der WHO festgestellt, dass die Pocken ausgerottet sind.